Das Wunschszenario: Stalin teilt sich China mit Japan

(1939-1940,45-46 Jahre)

 

Die Sowjetunion schloss am 23. August 1939 einen Nichtangriffspakt mit Nazideutschland, und im folgenden Monat fielen beide Staaten in Polen ein und teilten es unter sich auf. Viele Chinesen waren über Sta­lins Handel mit Hitler empört. Chen Tu-hsiu, der Gründervater der KPC, der Mann, der Mao auf den Weg des Kommunismus geführt hatte, später aber aus der Partei ausgeschlossen worden war, weil er zu unabhängig dachte, drückte diese Gefühle wohl am besten aus. Die Nationalisten hat­ten ihn jahrelang eingesperrt, zusammen mit anderen politischen Gefan­genen aber freigelassen, als 1937 die nationalistisch-kommunistische »Einheitsfront« beschlossen wurde. Jetzt schrieb Chen ein Gedicht, in dem er seine »Trauer« und seinen »Zorn« ausdrückte und Stalin mit einem »wilden Teufel« verglich, der

 

herrisch in sein Nachbarland eindringt,

und Helden und alte Freunde auf einen Streich bei lebendigem Leibe kocht ...

Recht und Unrecht wechseln wie Tag und Nacht,

Schwarz und Weiß wechseln auf sein Geheiß ..-1

Der Hitler-Stalin-Pakt legte den Gedanken nahe, dass Stalin mit Japan einen ähnlichen Handel abschließen und China zu einem zweiten Polen machen könnte. Der Kreml unterzeichnete tatsächlich genau zu jener Zeit einen Waffenstillstand mit Japan, der die Kämpfe zwischen der sowjeti­schen Roten Armee und den Japanern an der Grenze zwischen der Äuße­ren Mongolei und Mandschukuo beendete. Das polnische Szenario bereitete Chiang Kai-shek große Sorgen, die er Moskau auch vortrug.2 Mao dagegen reagierte erfreut. Seine ganze Strategie für den Krieg gegen Japan zielte darauf ab, die Sowjetunion zum Eingreifen zu bewegen. Jetzt bestand die große Chance, dass Stalin einen Teil Chinas besetzen und Mao an die Macht bringen könnte. Edgar Snow bat Mao Ende September 1939 um eine Einschätzung des sowjetisch-japanischen Abkommens. Maos Antwort fiel begeistert aus. Er sagte, Russland könne einen solchen Pakt unterzeichnen, »solange das seine Unterstützung ... der Interessen der Welt-Befreiungsbewegung [gemeint sind: Mao selbst und die KPC] nicht behindert«. Auf die Frage, ob »die sowjetische Hilfe für Chinas Befrei­ungsbewegung eine ähnliche Form annehmen kann« wie die russische Be­setzung Polens, antwortete Mao sehr positiv: »Das liegt durchaus innerhalb der Möglichkeiten des Leninismus.«3 Maos Modell für China war jetzt ein »Polen-Szenario«.

Auf ähnliche, allerdings nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Weise pries Mao die Besetzung Ostfinnlands durch die Sowjetunion im Frühjahr 1940. In einer Geheimdirektive vom 25. Juni behauptete er, dass der sow­jetisch-finnische Friedensvertrag, der unter anderem die Annexion großer Teile des finnischen Staatsgebiets durch Moskau vorsah, »den Sieg der Welt- und der chinesischen Revolution garantiert«4 (Hervorhebung durch uns). Nach der Teilung des besiegten Frankreich in einen von Deutschland besetzten sowie einen von einem in Vichy residierenden Marionettenre­gime verwalteten Teil stellte Mao einen weiteren Vergleich an. In einem geheimen Rundschreiben vom 1. November 1940 wandte er sich in verschlüsselter Sprache an die führenden Kommandanten: »Es besteht nach wie vor die Möglichkeit, dass die Sowjetunion eingreift, um die Bezie­hungen zwischen China und Japan zu regeln. «5 Er spielte auf eine Teilung des Landes an, wie sie Frankreich aufgezwungen worden war, und äußerte die Hoffnung, dass die Kommunisten »einen besseren Vertrag bekommen, [falls] die Sowjetunion eingreift, um eine Regelung zu erreichen, und wir uns weiter bemühen«. Mao hoffte ein weiteres Mal, dass die Sowjetunion sich China mit Japan teilen würde.

Maos Bemerkungen zum polnischen Modell und zu einem sowjetisch-japanischen Pakt kamen in Moskau nicht gut an. Sie waren zu ungeschminkt, und im Gegenzug folgte ein strenger Verweis. »Der provokative Grundzug dieser Stellungnahme muss enttarnt werden«, telegrafierte der Komintern- Chef Dimitrow an Mao. »Wir bitten dringend darum, dass Mao Tse-tung und die anderen chinesischen Genossen davon Abstand nehmen, ausländischen Korrespondenten Interviews in der Art des Gesprächs mit Edgar Snow zu geben, denn dieses wird für provokative Zwecke benutzt.« Mao hielt sich daraufhin in der Öffentlichkeit bedeckt, und Snow durfte bis zum Bruch zwischen Peking und Moskau im Jahr 1960 nicht mehr nach China einreisen. Quellen: Dimitrow an Mao, Oktober 1939, in: Titarenko 1986, S. 284f. (E: Web und Dimitrow); vgl RGASI 514/1/1042, S.8; Nikiforow, S.124f.; Titow, Bd.3, S.346-348; RGASPI, S-7 (Mordwinow an Dimitrow, 13. November 1939).

Für Mao war der Yangtse, der mitten durch China fließt, die ideale Demarkationslinie. Im Gespräch mit dem innersten Führungszirkel der Partei träumte er davon, »eine Grenze zu ziehen ... am Yangtse, wobei wir eine Hälfte des Landes beherrschen.«6

Stalin dachte in der Tat an eine Wiederholung des polnischen Szenarios. Russland nahm im September 1939, unmittelbar nach der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Pakts, Gespräche mit Japan auf, und wesentlicher Gegenstand der Verhandlungen war die Zukunft Chinas. Stalin hatte des­halb ein unmittelbares Interesse an einer Expansion der chinesischen Roten Armee wie auch des Roten Territoriums, denn dies würde seine Ver­handlungsposition gegenüber Japan stärken und seinen langfristigen Zielen für die Nachkriegszeit förderlich sein.

Im Lauf des Winters 1939/40 gab es in den von Mao nach Moskau gelieferten Berichten über die Kampfhandlungen zwischen chinesischen Kommunisten und Chiangs Truppen eine deutliche Akzentverschiebung. Mao berichtete sehr viel offener über das Ausmaß der Kämpfe. Vor Stalins Pakt mit Hitler hatte Mao die Zusammenstöße als ein Ergebnis der Versuche der Nationalisten präsentiert, die kommunistischen Truppen zu vernichten, und er hatte behauptet, die Kommunisten handelten in Notwehr. Im Anschluss an den Hitler-Stalin-Pakt bemühte er sich um Stalins Zustimmung für einen aggressiven Expansionskurs zu Lasten Chiangs. Am 22. Februar 1940 sandte er einen äußerst kämpferischen Bericht nach Moskau, in dem zu lesen war, dass im Kampf mit Chiangs Truppen »der Sieg meist auf unserer Seite ist«. »In Hebei löschten wir 6000 [Nationalisten] aus, in Shanxi ... waren es 10000«, berichtete er.7

Stalin legte ihm nichts in den Weg. Im Gegenteil, drei Tage später ordnete er an, der KPC monatlich die riesige Summe von 300000 US-Dollar zukommen zu lassen.8 Als Chou En-lai wenig später Moskau verließ, befand sich in seinem Gepäck ein neues Funksystem für die Verständigung mit Moskau, das er Mao übergab.* Maos Berater für die russische Sprache hielt fest: »Nur der Vorsitzende Mao selbst durfte es benutzen. Er hielt alle Botschaften geheim und entschied selbst darüber, wem er die eben eingetroffenen Informationen zeigen würde.«9

 9 )Das neue System war äußerst effizient. Die Japaner konnten die Geräte nicht einmal orten, geschweige denn die Codes entschlüsseln. Quelle: Takahashi, S.213.

Nach dem Hitler-Stalin-Pakt und mit Blick auf einen möglichen Handel Stalins mit Japan begann Mao im September 1939 eine lange, enge und wenig bekannte Zusammenarbeit mit dem japanischen Geheimdienst.10 Sein Ziel war es, Chiang noch gründlicher zu sabotieren und seine eigenen Truppen zu schonen. Die Operation der KPC leitete ein Mann namens Pan Han- nian. Er arbeitete mit Eiichi Iwai zusammen, dem japanischen Vizekonsul in Shanghai, einem hochrangigen Geheimdienstoffizier. Pan erhielt einen japanischen Sonderausweis, der den folgenden Hinweis trug: »An alle japanischen Armee-, Gendarmerie- und Polizeiangehörigen: Sämtliche Anfragen zum Inhaber dieses Ausweises richten Sie bitte an den japanischen Generalkonsul.« In Iwais Haus saß ein Funker aus Yenan, der bei Bedarf direkten Kontakt dorthin aufnehmen sollte, doch dieser Kommunikationsweg wurde letztlich nicht genutzt, weil er als »zu riskant« galt.

Pan lieferte Iwai Informationen über Chiangs Widerstandskraft im Krieg gegen Japan, über seine Konflikte mit der KPC und seine Beziehun­gen zu ausländischen Mächten sowie über amerikanische und britische Agenten in Hongkong und Chongqing. Diese Erkenntnisse galten den Japanern als äußerst wertvoll: Nach einer bestimmten Mitteilung war der japanische Botschafter in China angeblich »vor Freude außer sich«. Im Vorfeld der Besetzung Hongkongs durch Japan im Dezember 1941 war Iwai bei der Evakuierung von KPC- Agenten behilflich. Pan versicherte Iwai, einige der Agenten würden weiterhin Informationen für die Japa­ner beschaffen, andere wiederum würden nach Shanghai kommen, um »unsere >Friedensbewegung< zu unterstützen«. Die »Friedensbewegung« war Japans wichtigstes nichtmilitärisches Mittel, mit dem China zur Ka­pitulation bewegt werden sollte. Eine wichtige Organisation im Rahmen dieses Gesamtplans war die »Bewegung zur Wiederbelebung Asiens zum Aufbau des Landes«, die Pan mit auf den Weg brachte. Sie bestand hauptsächlich aus getarnt operierenden Kommunisten und wurde von Tokio fi­nanziert.

Die Roten bedienten sich der Japaner für einen Dolchstoß in den Rücken der Kuomintang. Ein Geheimdienstmitarbeiter der KPC erinnerte sich:

Zu jener Zeit lautete die Taktik unserer Partei für den Umgang mit den Japanern und den Kollaborateuren: »Bediene dich der Hand des Fein­des, um den anderen Feind zu treffen ...« Genosse Kang Sheng sagte uns das immer wieder ... Die Organisationen der Kollaborateure waren von unseren Kameraden durchsetzt, die mit den Messern der Japaner die Nationalisten erledigten ... Einer der Vorgänge, die mir persönlich bekannt waren: Die Vernichtung der [nationalistischen Untergrundarrnee] südlich des Yangtse durch die Japaner [war eines der| Meisterstücke in der Zusammenarbeit zwischen den Japanern und unserer Partei.11*

Pan hatte - neben der gegen Chiang gerichteten Sabotage - noch die Aufgabe, die Japaner dazu zu bewegen, dass sie die Kommunisten unbehelligt operieren ließen. Dies ging sogar so weit, dass dem höchstrangigen japa­nischen Geheimdienstoffizier in China, Generalmajor Sadaaki Kagesa, der Vorschlag für einen geheimen Waffenstillstand in Nordchina zuge­spielt wurde.

Im östlichen Zentralchina wurde ein Abkommen getroffen, nach dem die kommunistische Neue Vierte Armee die Eisenbahnverbindungen unangetastet ließ, während die Japaner im Gegenzug diese Armee auf dem Land nicht angriffen. Jahrelang rollten die japanischen Züge ungestört über Land, und die Neue Vierte Armee expandierte in aller Stille. Prinz Mikasa, ein Bruder Kaiser Hirohitos, der damals in China als Offizier diente, erklärte uns die strategischen Überlegungen der Japaner, die dafür sorgten, dass sie die Kommunisten in Ruhe ließen. Er sagte uns, die Japaner hätten die Kommunisten nur als potenzielles Ärgernis gesehen, das ohne strategische Bedeutung sei.Die Japaner betrachteten Chiang Kai-shek als ihren Hauptfeind.12

Schon im Frühling 1940 waren riesige Gebiete im ländlichen Norden Chi­nas in der Hand der Kommunisten. Unmittelbar nach der stillschweigenden Billigung durch Stalin zogen die Kommunisten im März 1940 30 000 bis 40000 Mann zusammen und töteten in einer Reihe von Gefechten mehr als 6000 Nationalisten. Zhu De und Peng De-huai, die Kommandanten der Achten Route-Armee, hatten sich auf diese Weise in Nordchina eine starke Ausgangsposition erkämpft und sahen es jetzt als ihre Pflicht an, etwas gegen die Japaner zu unternehmen. Am 1. April ordneten sie Vorbereitungen für groß angelegte Sabotageaktionen gegen die japani­schen Transportwege an. Mao verweigerte dem Angriff seine Zustimmung.  Stattdessen ordnete er die Verlegung aller verfügbaren Truppen ins östliche Zentralchina an, um dort mehr Land zu besetzen. Zhu (Bild) und Peng mussten ihren Plan aufgeben.13

Faktische militärische Zusammenarbeit im Kampfgebiet scheint kein Teil von Maos von Abkommen gewesen sein, doch der  russische Geheimdienstchef in Yenan berichtete von einem Fall, bei dem  kommunistische Einheiten im Sommer 1943 in Shandong  Streitkräfte der Nationalisten "in Absprache mit japanischen Truppen« angegriffen hat- Quelle: Owtschinnikow, Bd.z, S. 95 (Wladimirow in Iljitschew an Dimitrow, 6. Mai1944

Zu diesem Zeitpunkt lud Chiang Zhu, der wegen der anhaltenden internen Konflikte besorgt war, nach Chongqing ein, um mit ihm über eine Lösung zu sprechen. Zhu legte in Yenan einen Zwischenhalt ein, weil ihm Mao gesagt hatte, dass demnächst ein Parteikongress stattfinden werde. Zhu fand bei seiner Ankunft keinen Kongress vor, auch keinerlei Anzei­chen für eine solche Versammlung. Er wurde dennoch an der Weiterreise nach Chongqing gehindert, ja, er wurde praktisch für die restliche Dauer des Krieges in Yenan festgehalten. Er war zwar Oberbefehlshaber der Achten Route-Armee, spielte aber im Krieg keine Rolle mehr und durfte praktisch nur noch Maos Anordnungen abnicken.14

Mao schickte einen anderen Unterhändler nach Chongqing: Chou En-lai, der inzwischen der exklusive Verbindungsmann zu Chiang war. Mao hatte seinen Zugriff auf die Kommunikationswege zu den beiden Orten, auf die es ankam - Moskau und Chongqing - perfektioniert.

Zu diesem Zeitpunkt, im Mai 1940, trat der chinesisch-japanische Krieg in eine kritische Phase ein. Die Japaner intensivierten ihre Bomben­angriffe auf Chongqing, das schon bald zur bis dahin weltweit am schwers­ten bombardierten Stadt werden sollte. Die im Lauf des nächsten halben Jahres auf Chongqing abgeworfene Bombenlast entsprach einem Drittel der von den Alliierten während des Krieges im Pazifik über ganz Japan ab­geworfenen Tonnage. Bei einem einzigen Angriff starben bis zu 10 000 Menschen. Die japanische Armee rückte mittlerweile am Yangtse entlang auf Chongqing vor. Tokio verlangte von Frankreich die Schließung der Bahnlinie, die von Vietnam nach China führte, und von Großbritannien die Schließung der Burma-Straße. Dies waren die einzigen Verbindungen, die (außerhalb Russlands) jetzt noch in das vom Zugang zum Meer abgeschnittene China führten. Beide westliche Staaten fügten sich am 20. Juni beziehungsweise am 18. Juli 1940, im Falle Großbritanniens allerdings nur für einen Zeitraum von drei Monaten. In Chongqing nahm die Be­reitschaft zu, mit Japan ein Abkommen zu treffen. Chiang - und China -befanden sich in einer Existenz bedrohenden Krise.

Für Mao war diese Krise ein Geschenk des Himmels - je schlimmer es kam, desto besser für ihn. Er sagte später, er habe »gehofft, sie [die Japaner] würden bis nach ... Chongqing kommen «.15 Dadurch, so lautete seine Überlegung, würde Russland zum Eingreifen gezwungen.

Doch Peng De-huai, der seit dem Beginn von Zhus Quasi-Arrest in Yenan De-facto-Befehlshaber der Achten Route-Armee war, wollte Chongqing etwas Entlastung verschaffen und griff seine bereits vorliegenden Pläne für eine groß angelegte Sabotageoperation gegen die japanischen Transportwege in Nordchina wieder auf. Er gab der Achten Route- Armee am 22. Juli den Befehl, diesen Schlag, dem er den klangvollen Namen »Operation 100 Regimenter« gegeben hatte, für den 10. August vorzubereiten, und telegrafierte den Plan zweimal an Mao. Es kam keine Antwort. Als auch die dritte Nachricht unbeantwortet blieb, befahl Peng den Angriff für den 20. August.

Peng wusste, dass Mao diese Operation nicht gefallen würde. Sie würde Chiang helfen und den Kommunisten schaden, weil Tokios Vergeltungsmaßnahmen sich gegen die von ihnen kontrollierten Gebiete richten würden. Peng stellte die Interessen des Landes über die der Partei.16

Die Angriffe im Rahmen der Operation, die etwa einen Monat dauerte, zielten in erster Linie auf die Infrastruktur der Japaner, nicht auf die japa­nischen Soldaten selbst. Sie kamen für die Japaner nach deren eigenen Worten »völlig überraschend«. Die Schäden an Eisenbahnlinien und Überlandstraßen waren nach den Berichten in einigen Kampfabschnitten »äußerst schwerwiegend« und »von unbeschreiblich großem Umfang«. (Die Sabotagetätigkeit wurde zum Teil von Zwangsarbeitern ausgeführt.) Die Kohlenzechen von Jingxing, die die wichtigen Eisen- und Stahlbe­triebe der Mandschurei belieferten, wurden schwer getroffen, und die größte Anlage war »mindestens ein halbes Jahr lang« außer Betrieb. Die Japaner mussten eine Division aus der gegen Chiang gerichteten Front ab­ziehen und die Pläne zur Eroberung zweier nach Südchina führender Bahnlinien zumindest für kurze Zeit aufschieben.17

Der wichtigste Effekt zeigte sich in der Moral der Chinesen, und zwar vor allem in den schwer bombardierten Gebieten der Nationalisten. Die Kuomintang- Presse lobte die Achte Route-Armee für ihre Offensive, die den »vom Feind gestreuten Gerüchten, wir seien zerstritten und in den Kampf untereinander verstrickt, einen tödlichen Schlag versetzte«. Chou telegrafierte aus Chongqing an Mao, die Operation habe »eine äußerst große Wirkung« gehabt. »Wir publizieren und propagieren sie überall, … jetzt ist die Zeit gekommen, um den Einflussbereich unserer Partei auszuweiten.« Mao nutzte die Nachwirkungen der Aktion, so gut es nur ging.18

Doch insgeheim schäumte er vor Wut, zum Teil wegen der schweren Verluste der Kommunisten bei der Operation. Nach Zhu Des Bericht fielen 90 000. Die Japaner griffen in den von Kommunisten beherrschten Ge­bieten, deren Fläche schon bald auf etwa die Hälfte reduziert wurde, zu äußerst harten Repressalien; die unter kommunistischer Herrschaft stehende Bevölkerung reduzierte sich von etwa 44 auf rund 25 Millionen. Doch Peng führte die Achte Route-Armee und die Stützpunktgebiete schon bald zu alter Stärke zurück.

Die Achte war nach etwas mehr als zwei Jahren sogar noch stärker als vor 1940, zählte 400000 Mann, und Peng hatte die Basisgebiete wieder aufgebaut.

Was Mao jedoch am meisten aufbrachte, war die Tatsache, dass der Vorstoß der Achten die Chancen für eine Niederlage Chiangs - und damit auch für eine Intervention Russlands (!) - verringerte. Mao ließ Peng in den kommenden Jahren für diese Eigenmächtigkeit teuer bezahlen - für die einzige groß angelegte Operation, die die kommunistischen Streitkräfte während der acht Jahre dauernden japanischen Okkupation zustandebrachten.