Buchtitel KLessing

Gedanken und Auszüge zum Buch von Klaus Blessing

WER VERKAUFTE DIE DDR

Untertitel  Wie leitende Genossen den Boden für die Wende bereiteten

Aspekte-70 Leningrad /Skt. Petersburg Betrachtungen Erzählungen
Vorbemerkungen
Das Buch von Klaus Blessing "Wer verkaufte die DDR/ Wie leitende Genossen den Boden für die Wende vorbereiteten" ( ISBN 978-3-95841-033-6 ) war für mich eine außerordentliche Bereicherung über Interna, Hintergründe und Zusammenhänge der Prozesse der letzten Jahre in den Führungsetagen der DDR. Klaus Blessing  war nach verschiedenen anderen verantwortungsvollen Aufgaben in der DDR- Industrie von 1986 bis 1989  Abteilungsleiter "Maschinenbau und Metallurgie"  im ZK der SED. Er verfügt also über authentische Informationen zu den Interna im höchsten Führungsgremium der DDR und hat ohne Zweifel mit seinen umfangreichen Publikationen und Äußerungen als scharfsinniger Analytiker und überzeugter Marxist einen wertvollen Beitrag zum Verständnis der geschichtlichen Wahrheit jener Zeit geleistet. Aber vor allem vermittelt er seinen Lesern einen klaren Blick auf die neoliberalen Machenschaften bei der Angliederung der DDR und der Aneignung des Eigentums von Millionen DDR- Bürgern durch das BRD- Kapital. Und er bleibt nicht bei einer rückwärtsgewandten Betrachtung stehen, sondern bietet Schlußfolgerungen für eine aktuelle Politikwende an.

Einleitend möchte ich  etwas zum "Warum" erklären. Das Buch bestätigt Zusammenhänge, die bislang für mich weitgehend Vermutungen und Spekulationen waren.  Wer meine Kommentare /Artikel zu den anderen Büchern auf der Seite "Gedanken über Bücher zur  Geschichte des Sozialismus" liest, wird wie einen roten Faden die Frage  nach dem "Warum", den Ursachen , Fehlern , Defekten .. finden /gefunden haben, die zum Zusammenbruch des  Systems des realen Sozialismus geführt haben. Bei dieser Suche wurde das Feld weit über den Rahmen des "Sozialismus in den Farben der DDR" gespannt und  nach Möglichkeit immer auch auf Aspekte erweitert, die im Mutterland des Sozialismus lagen.
 
Dankend hatte ich die Möglichkeit, mit Klaus Blessing Kontakt aufzunehmen. Auszüge aus der Mail- Korrespondenz
Lieber Klaus Blessing ,
es gelang mir (obwohl bereits vergriffen) das .. wichtige Buch
 „Wer verkaufte die DDR“ – Wie leitende Genossen den Boden für die Wende vorbereiteten , Verlag edition berolina , ISBN 978-3-95841-033-6
zu kaufen und war begeistert, Antworten auf viele meiner Fragen zu finden, nach denen ich trotz intensiver Lektüre vieler marxistisch orientierter Schriften gesucht hatte. Dabei habe ich auch intensiv im (positiven) Fundus  russischsprachiger Litaratur gesucht, die UdSSR war schließlich das Fundament unserer Existenz. 
Da ich mich auf meiner
..Seite "Bücher zur Geschichte des Sozialismus" seit Jahren mit Fragen nach den Ursachen des Zusammenbruchs des Sozialismus befasse und diese den Lesern als nahebringen möchte, kannte ich insbesondere zu den für mich befremdlichen Tendenzen eines beachtlichen Teiles der SED- Führung gegen den  Erhalt enger wirtschaftlicher und politischer Kontakte mit der UdSSR bislang eher Spekulationen und Vermutungen. ..
Das gesamte Buch war für mich eine Fundgrube von parteilichen Antworten auf wichtige Fragen zu den Entwicklungen und Ereignissen im SED-Politbüro und seinem Umfeld bis 1989/1990, die ich bisher so klar nicht gefunden habe.
Besonders wichtig empfand ich
den Abschnit „Lehren und Schlussfolgerungen“ und möchte vollständig die
Schlussfolgerungen und Ratschläge unterstützen, die dort für eine neue Politik der Partei „DIE LINKE“ ableitet sind , denn wie die "Linke" agiert ist  eher enttäuschend.

Ich möchte daher darum bitten ,
 Auszüge aus dem Kapitel  „Lehren und Schlussfolgerungen“  ( ab S. 169 ) als Anhang  auf meiner WEB- Domäne //aspekte-70.de/  mit einem link im Internet zu veröffentlichen
***
Lieber Georg Jungnickel,.. Ich danke Dir und freue mich über die Wertschätzung meines Buches, das eigentlich nur noch einen Mosaikstein in meinen Gesamtpublikationen darstellt. Man könnte es auch überschreiben "Der subjektive Faktor beim Untergang der DDR". Es hat ein durchaus bemerkenswertes Interesse gefunden und bei noch lebenden Personen nicht nur Freude
ausgelöst. Aber wie heißt es so schön:  "Die Wahrheit kann weh tun, aber wer sie verschweigt, macht sich mitschuldig."
Es ist mir gelungen, beim Verlag zu erreichen, dass im Herbst eine Neuauflage - Taschenbuch - erscheint, denn es gibt auch bei mir noch mehrere unerfüllte Bestellungen.  
Deiner Bitte (  betr. Anhang ..G.J. )kann ich gern entsprechen, ich schicke Dir die gewünschten Auszüge in der Anlage,
...
Zu einigen  Themen des Buches aus meiner Sicht  
Es ist keineswegs das Ziel, noch ist es möglich, hier den Inhalt des o.a. Buches zusammenfassend darzustellen. Es wird wahrscheinlich bald wieder aufgelegt. Hier nur wenige Aspekte: 
  • Weitgehend unbekannt ist die Tatsache , dass entgegen immer wiederkehrender intensiver Behauptungen der Medien, die BRD - Regierung sei im Vorfeld des Zusammenbruchs der DDR völlig unvorbereitet  gewesen, bereits 1952 (!) gem. Beschluss der Adenauer- Regierung ein "Forschungsbeirat.. " gebildet wurde, der auftragsgemäß  die  "wissenschaftliche Vorbereitung" notwendiger Sofortmaßnahmen  bei der "Wiedervereinigung"  bearbeitete , der unter Leitung des Altnazis Dr. Ernst, der unter Hitler Reichskommissar für die "Verwaltung feindlichen Vermögens" stand (!) und ein "Drehbuch" vorlegte, welches 1989 als Blaupause für das Vorgehen der BRD- Machthaber diente, ganz im Stile der "Verwaltung feindlichen Vermögens", wie es viele der DDR- Bürger erleben mußten.
  • Umfangreiche Fakten zur Vermögens- und Schuldenlage der DDR zeigt K. Blessing in seinem Buch ,u.a. ,
    • die DDR hatte  1988 allein einen Grundmittelbestand von 1,2 Billionen M/DDR ,
    • 1989 betrug das Volksvermögen der DDR ca. 1600 bis 2000 Milliarden DM (!)
    • die DDR hatte zum Zeitpunkt der Angliederung praktisch keine Auslandsschulden;  den Schulden im NSW von real 19 Mrd. VM standen Guthaben von (umgerechnet)23 Mrd VM im SW gegenüber, darunter Forderungen von 10 Mrd. Transferrubel gegenüber der UdSSR ( d.h. 23 Mrd. DM )  .
  • Es ist also Fakt,  dass die DDR- Schulden aus dem DDR- Vermögen beglichen wurden!
  • Eine besondere Rolle spielten für mich die Darlegungen zum sog. Schürer- Papier über die angebliche aussichtslose Zahlungssituation der DDR- dazu einige Gedanken weiter  unten;
  • Im Buch sind viele sehr kompakte Informationen und Darstellungen zur Wirtschaftssituation der DDR, den Aktionen und Politikzielen führender DDR- Persönlichkeiten , wie W. Ulbricht, E. Honecker, G. Schürer, G. Mittag ,G. Beil, A. Schalck-Golodkowski u.a. zu finden , die oftmals persönliche Vermutungen oder Erinnerungen bestätigen.

Von besonderem Interesse waren für mich zwei Themen , die m.E. in einem inneren Zusammenhang stehen:

  1. Im "Versuch einer .. Gesamtwertung" (S.124) schreibt der Autor Klaus Blessing,

"Die Wurzel (zum Zusammenbruch der DDR-G.J.) liegt in den objektiven Bedingungen der DDR, die ökonomisch und politisch untrennbar mit der UdSSR verbunden war... Wer seine Wirtschaft von vornherein ... auf die Belange des "großen Bruders" einzustellen hat ,.., wer darüberhinaus politisch voll in das sozialistische Lager integriert ist,  kann diese Verbindung bei Strafe des Unterganges nicht kappen"  .... Eine andere Frage ist, wie der Staat DDR auf die sich eindeutig abzeichnenden ökonomischen und poilitischen Verfallserscheinungen bei diesem "großen Bruder" hätte reagieren sollen und können. ... Das politische Übel besteht darin, dass es im politischen Führungsgremium -dem SED- Politbüro- .... keine Grundsatzdebatten zur politisch-ökonomischen Ausrichtung des Landes .(gab) ".....

"Wenn Mittag und die wenigen "Berater" in seinem Umfeld ..... in dieser Situation zu der Erkenntnis gekommen sind, mit der Sowjetunion kann die DDR ihre Position als entwickeltes Industrieland nicht länger halten , ist das verständlich, legitim und richtig.."

"In der Mittag -Fraktion wurde die Diskussion über eine deutssch-deutsche Konföderation als plitischer Ausweg geführt. Es wurde offensichtlich nicht zu Ende gedacht, was das sein soll- eine Konföderation zwischen der sozialistischen DDR und der kapitalistischen BRD. ... Ich bezweifle , dass die hochrangigen Verhandler mit westdeutschen "Partnern" immer klar vor Augen hatten, dass  der "Partner  " kein Partner, sondern ein Gegner ist .. der die DDR .. liqudieren will."

Soweit also einige Zitate aus K. Blessings Buch.

Diese Wertungen des Bündnisses mit der UdSSR - die sich offenbar auf die Mitte der 80-er beziehen- waren für mich zumindest "überraschend": Einerseits war das eine Bestätigung dessen, dass man in Teilen der DDR- Führung die politischen Tendenzen in der UdSSR weitgehend real so erkannte, wie sie sich später brutal öffentlich manifestierten. Und was "man" vor allem bei der intensiven wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit führenden Zweigen der UdSSR- Industrie auch persönlich spüren konnte.
Aber ab wann kam man im Zirkel um Mittag, abseits vom PB zu derartigen Schlussfolgerungen? 
Wir wissen, dass bereits im Sommer 1983 der sog. Strauß-Milliardenkredit mit der DDR beschlossen wurde. Das fällt in die Zeit, als in der UdSSR  der  Sozialismus- Reformer und vielversprechende Hoffnungsträger  Juri Andropow von 11/ 1982 bis 2/ 1984 Generalsekretär der KPdSU war. J. Andropow war bekanntlich lange Jahre als KGB- Chef mit allen Aspekten von Politik und Wirtschaft bestens vertraut und als exzellenter Politiker sehr beliebt. Die Amtszeit des schwerkranken  K. Tschernenko (12/ 1984 – 3/ 1985) war bekanntlich eine verlorene Zeit.

Ab 3/1985  kam Gorbatschow an die Macht ( und gab  8/ 1991 würdelos auf ). Aber  auch da waren erst ab ca. 1986/87 Zeichen einer Diversion des Staates ( unter Einfluss von A. Jakowlew) deutlich. (https://aspekte-70.de/ZusammenbruchUdSSR_Seite_n.htm ).
Wir wissen auch, dass im Zuge des politischen Aufstiegs von Mittag das Schalck- G. - Imperium (im organisatorischen Umfeld des MfS) als Handelsorganisation mit kapitalistischen Methoden wuchs , und dass diese KOKO unter der Direktiv- Gewalt von Mittag bis 1989 ein gewaltiges geheimes Valuta- Sondervermögen anhäufte, in seiner Dimension vergleichbar mit dem offiziellen DDR- Handel im NSW.
Es entsteht die schwerwiegende Frage - War das Postulat "mit der Sowjetunion kann die DDR ihre Position als entwickeltes Industrieland nicht länger halten"  eine nicht zu Ende gedachte naive Illusion, fern von allem Wissen über den Neoliberalismus, mit der Hoffnung, einerseits alle Vorzüge des Sozialismus in einer "Konföderation" für die Menschen zu bewahren, andererseits vom Westen ein modernes Technologieniveau "zu erhalten" ? Oder war das doch eher der Verlust jeglichen realen politischen Denkens?
 Es drängt sich die sarkastische Frage auf, ob Mittag den Karl Marx jemals verstanden hatte, eine Frage, die in unbequemen für ihn Diskussionen bekanntlich oft sein "KO"- Trick war.

Im Abschnitt "Eine sozialistische Alternative braucht neue Ziele"  (S. 169 ) " lesen wir unter Schlussfolgerungen :  

"Eine sozialistische Alternative kann nicht im Versuch bestehen, den Kapitalismus mit sozialistischen Methoden zu überbieten. Der Krebsschaden des Ausverkaufs der DDR an die BRD lag in der politischen Grundorientierung, die BRD auf dem Gebiet der Konsumtion und der Produktivität nicht nur einzuholen, sondern zu überholen. Mit dieser Grundorientierung sollte - auch in der DDR – eine Konsumgesellschaft sozialistischer Prägung gestaltet werden. Mit dieser Gesellschaftsphilosophie war die DDR ständig in einer Position des „Hinterherlaufens“ gegenüber der auf diesem Gebiet führenden BRD. Dieser Wettlauf konnte nicht gewonnen werden, er war vom Ansatz unrealistisch und damit falsch. Er zog sich jedoch von Ulbricht über Honecker bis zum Ende der DDR als Gesellschaftsdoktrin durch. Die politische Führung der DDR hatte keinen Mut gegenüber dem Volk zu erklären oder auch nicht erkannt, dass sie sich damit auf dem Holzweg befindet....

Eine dringend notwendige sozialistische Alternative für Gegenwart und Zukunft muss diese eingeschränkte Herangehensweise überwinden und die eigenständigen Merkmale einer sozialistischen Gesellschaft ins Zentrum stellen: Frieden, Solidarität, Gerechtigkeit, Gleichheit, Arbeit. Die Abrichtung des Menschen zum „Konsumtrottel“ muss überwunden und der denkende Mensch in die Gestaltung der Gesellschaft aktiv einbezogen werden."

  1. Diesen Text  versuchte ich, gedanklich auf die DDR- Periode  zu projezieren.
    Es ist ohne Zweifel richtig , dass es der tiefere Sinn einer neuen und sozial gerechteren Gesellschaft sein muss, den Menschen ein  lebenswertes Leben zu ermöglichen und den Rahmen für Familien und deren Kinder, Arbeits- und Wohnbedingungen, Bildung, medizinische Versorgung u.a. zu schaffen , sowie im weltweiten Rahmen, besonders für die armen Länder, zukunftssichernde  soziale Anstrengungen zu ergreifen, letztlich Maßnahmen zur Umverteilung von Reichtum zu ermöglichen- etwa  unter der Losung- Völker der Welt, unser Planet hat nur eine gemeinsame Zukunft!  Ohne diese Vision ist es wohl schwer vorstellbar, unter den Bedingungen einer global vernetzten Welt die Menschen in ihrer Mehrheit mit den Vorzügen der sozialistische Ordnung zum Handeln zu motivieren. Insofern muss wohl eine neue  Gesellschaft sozialistischer Prägung, eine sozial gerechte Gesellschaft der Zukunft auch eine Konsumgesellschaft der "zweiten Generation" sein. Das schließt unabdingbar ein, dass die Menschen ihr Konsumverhalten ihren tatsächlichen Bedürfnissen anpassen, den verbreiteten Konsumwahn in den wohlhabenden Kreisen der Welt  aufgeben und dass andere sozial- ethische Werte einer künftigen stabilen Gesellschaft von immer größeren Gruppen der Gesellschaft  als Mittelpunkt der Entwicklung akzeptiert und praktiziert werden.
    Die Doktrin vom ständigen Wirtschaftswachstum darf (als gepredigte Prämisse der Stabilität einer Gesellschaft)  nicht länger als Doktrin des materiell- technologischen Wachstums mit der unabdingbar daraus folgenden Wegwerfmentalität verstanden werden. Werte, wie ökologische Weltwirtschaft, Gesundheitsschutz, entwickelte Bildung für alle Menschen, nachhaltiger Landbau und natürlich hochstehende Wissenschaft und leistungsfähige Produktionstechnologie  u.a. müssen daher die Konsumgesellschaft der "zweiten Generation" prägen!
    Andererseits ist die Schaffung von materiellem Mehrwert letztlich die Lebensgrundlage in jeder Gesellschaft, die verteilbaren Ressourcen die Basis. Entscheidend ist, wer diese Verteilung bestimmt, wer über das Eigentum am gesellschaftlichen Mehrwert verfügt! Und damit die Aufwendungen für diese Werte der Zukunft steuert , die Sicherung solcher  eigenständigen Merkmale, wie sie in der DDR ohne jeden Zweifel ansatzweise entstanden waren (gleichberechtigter hoher Bildungsstandart , Medizinversorgung, Alterssicherheit, Wohnen . demokratische Mitbestimmung .. ) gewährleistet. Letztlich bestätigt das (in erweitertem Sinne) die These Lenins, dass die sozialistische Produktionsweise eine höhere Effektivität haben muss, um die Grundlagen einer gerechteren Verteilung zu sichern. Das leistet aber nur eine moderne technologisch hochstehende Wirtschaft, besonders im Zeitalter der globalen Arbeitsteilung! Und genau dazu braucht man hochstehende Mikroelektronik, Spezialmaschinenbau, Nuklearmedizin, Molekularbiologie, hochentwickelte Wissenschaft usw. Daher lagen solche  Ziele, wie die Entwicklung der Mikroelektronik- Industrie  in der richtigen Richtung.
Aspekte der Zusammenarbeit mit der UdSSR- Erinnerungen aus unserer Praxis ?
Auf der Domäne ESER-DDR.de wurde unsere jahrzehntelange erfolgreichen Arbeit bei ESER- Großrechnern mit der UdSSR umfangreich dargestellt. Diese Arbeit hatte eine überragende strategische Bedeutung für die Versorgung mit moderner Datenverarbeitungs- Technik für die  Wirtschaft und wichtige Bereiche der Landesverteidigung. Sie hatte auch bedeutendes wirtschaftliches Gewicht beim Export. In den Jahren bis zur Korrektur des Niveaus des Erdölpreises im Handel mit der UdSSR konnten wir allein mit unserem Exportgewinn bei ESER-EDVA die gesamten DDR-Erdölimporte aus der UdSSR finanzieren!

(Quelle  (1988) Zitat G.Schürer : "

 "Bei einzelnen Erzeugnissen wurden im Export in das sozialistische Wirtschaftsgebiet 1987 Exportrentabilitätsraten erzielt, die einen hohen Gewinn (hervorgehoben G.J. ) an Nationaleinkommen für die DDR bedeuten. Das betrifft zum Beispiel: Elektronische Datenverarbeitungsanlagen [dh. unsere ESER Anlagen ]vom Kombinat Robotron; Exportrentabilität: 4,42; Exportgewinn für die DDR: 751,5 Millionen Mark "

Mit unserer Arbeit im ESER befanden wir ab ca. 1986 uns gespürt zwischen zwei Mühlsteinen: "UdSSR- Export und enge Zusammenarbeit " contra "Hochtechnologie made in DDR ohne Prüfung der wirtschaftliche Effektivität für die Breite der Volkswirtschaft!" 
Wir spürten  in der Zeit der "Mittag-Politik " ab ca. 1986 eine deutliche Abwertung der einst hohen Priorität unserer Erzeugnis Linie ESER-EDVA, die Gerhard Schürer 1988 in  „Überlegungen zur weiteren Arbeit am Volkswirtschaftsplan 1989 und darüber hinaus" in seiner PB- Vorlage noch vehement verteidigte.
Unser ESER- Team bei Robotron/Karl- Marx-Stadt musste in der täglichen Praxis bei der Einordnung von Zulieferungen und  Leistungen, sowie von Staatshaushalt- Mitteln ständig erleben, dass unsere nach wie vor (vor allem im Export) hocheffektive Produktlinie in den Bilanzen zweitrangig war, zeitweise nicht einordenbar. Andererseits wurden Geld-Mittel - vor allem riesige NSW-Valutasummen-  und Kräfte scheinbar problemlos bereitgestellt, wenn es um die Entwicklung und Fertigung der sog. 32- Bit Technik nach DEC- Architektur (K1840, K1845 ) ging. Im Bereich des Ministeriums "Elektrotechnik/ Elektronik" gab es keinerlei auch nur annähernde Alternative für unsere SW- Exporte, aber die sog. 32- Bit Rechentechnik wurde gnadenlos realisiert, obwohl sie ebenfalls einen Rückstand von 5-6 Jahren zum Westniveau bei Produktionsstart haben würde...
Sie fragen , warum?
Der Unterschied  bestand darin, dass die  32-Bit Technik Teil eines vertraulichen Großprojektes zur beschleunigten Entwicklung der Mikroelektronik ("Anlage 6" ) war, das unter straffer Kontrolle der Mittag- Fraktion im Politbüro stand und Zugriff auf den Valuta- Fond der KOKO hatte. Die 32-Bit Technik war angeblich dringend als µE-Entwurfstechnik erforderlich! Allerdings nicht 5-6 Jahre veraltete Technik. Die erforderlichen Rechner  mussten weiter importiert werden! Das hatten sicher Hr. Mittag, Hr. Nendel u.a. nicht verstanden, viele andere Personen trauten sich nicht, das zu äußern!
Andererseits sicherte  die ESER- Technik im Rahmen des "normalen" Staatsplanes  in einer überragenden Breite die Versorgung der DDR- Wirtschaft (und der RGW- Länder) mit moderner Datenverabeitungs- Technik. Diese gehörte allerdings zum Kontrollbereich der Plankommission unter G. Schürer und war daher für Herrn Mittag zweitrangig....

Im Artikel "Die DDR- Kombinate und  Kritik ..." ist z.B. in Ansätzen skizziert, in welcher Technologie- Falle die DDR steckte, eingekeilt durch das Embargo, abgeschnitten vom internationalen zahlungskräftigen Markt, ohne effektive Arbeitsteilung im Weltmassstab oder mit den sozialistischen Staaten, unter dem ständigen politischen Pressing des Kalten Krieges und der BRD -Politik des Ausblutens der DDR.. .
Die gesteckten, oft subjektiv motivierten Ziele waren jedoch für die DDR allein unreal und weltfremd, vor allem auch unter dem Aspekt der rasanten Technologieentwicklung in und für  riesige Märkte. Sie überforderten das Leistungsvermögen der DDR-Gesellschaft und brachten sie aus dem Gleichgewicht! Das hat uns Klaus Blessing mit seinem Buch sehr deutlich vor Augen geführt. Aus der Lektüre des Buches  entstand daher die Schlussfolgerung, dass die Führung der SED in einem tiefem Widerspruch zweier Grunddoktrinen handelte- "Hohes Sozial-Niveau"  contra "Führender Industriestaat".
 
Die Wirtschaftspraxis der DDR befand sich also im "Kreuzfeuer" des internen Machtkampfes im Politbüro. Es fehlte offenbar jegliche Koordinierung der großen Ziele in Forschung und Entwicklung. Ja  wie denn auch, wenn eine Seite sich mit strikter Vertraulichkeit abschottet?  Ein Beispiel: Erst der große Druck der Wirtschaft führte dazu, dass auch in der DDR die im Kommen befindlichen INTEL /Mikrosoft - Personalcomputer als Massen-Produkte der Rechentechnik/Datenverarbeitung entwickelt und produziert wurden. Vom international kompatiblen ESER- PC EC1834/1834-1 wurden allein in den beiden Robotron-Großbetrieben in Sömmerda und Karl- Marx- Stadt-Chemnitz bis 1991 ca. 80 Tausend Stück gefertigt, viele davon wurden erfolgreich in die Russische Föderation exportiert.
Heute hat der fast allmächtige Fortschritt der Höchstintegration der Prozessorchips dazu geführt, dass auch "Spezialarchitekturen", wie etwa die sog. 32 Bit Architektur der Firma DEC keinerlei Vorteile bieten und vom Markt verschwunden sind. Unsere damaligen  Empfehlungen zur Konzentration der DDR  auf eben diese Prozessor- Linie hatten daher keine Chance, niemand hatte das Recht , dem allmächtigen Politbüromitglied für Wirtschaftsfragen zu widersprechen!
Dieses "Kreuzfeuer" hat offenbar dazu beigetragen , dass im  "Schuldenpapier der DDR über 29 Mrd. VM "  durch G. Schürer , Schalck-G. und andere von 1989 an die Modrow- Regierung das geheime Vermögen der KOKO nicht auftauchte ! Im Buch von K. Blessing sind die Umstände und Motivationen umfassend analysiert. Schürers Papier war sicher für die Regierung Modrow sehr kontraproduktiv. Die Wurzeln des Zusammenbruchs liegen aber m.E. , wie oben ausgeführt, in der Erosion der UdSSR, die ca. 1985 unter Mitwirkung von Gorbatschow begann .
Nach meiner Überzeugung wurde der reale Sozialismus bereits ab ca. 1985 schleichend destabilisiert, in kleinen Schritten und unter der Dominanz einer (überwiegend) überalterten dogmatischen Parteiführung .

Tatsächlich ab ca. 1985 ?

Die DDR war  ökonomisch und politisch untrennbar mit der UdSSR verbunden! Die Chance der längerfristigen Überwindung des genannten Widerspruches
(Sozial- Niveau contra führender Industriestaat ) lag daher im Erhalt und der Stärkung eines reformierten, sozialistisch orientierten  Staatenblocks bei Überwindung der Spannungen mit der VR China, der ökonomischen und politischen Öffnung zum Weltmarkt, dem Vertrauen in die Klugheit der Menschen, die Vorzüge des Sozialismus demokratisch mitzugestalten!
In der UdSSR
ist es für viele Kommunisten eine  bittere Überzeugung: Mit dem in der UdSSR eingeleiteten Politikwechsel nach Jurij Andropow war ab 1985 die letzte Chance dringender Reformen des Sozialismus vertan! Der oben für die DDR skizzierte Widerspruch war unter den existenten Bedingungen, bei Erhalt eines sozialistischen Gesellschaftsmodells  ab dem Zeitpunkt um 1985 , d.h. nach dem Tode von Jurij Andropow, nicht mehr auflösbar.
 
Aus heutiger Sicht ist u.E.  der Aufbau  eines neuen sozialistischen Gesellschaftsmodells offenbar in weite Ferne gerückt. Es erfordert ganz unbestritten  eine wesentliche Umgestaltung der Besitzverhältnisse in der Gesellschaft, um eine zukunftsorientierte und  demokratische Umverteilung des geschaffenen Mehrwertes und Reichtums zu ermöglichen. Heute bilden eher Sammelbewegungen der zukunftsorientierten gesellschaftlichen Kräfte der Welt eine reale Chance,  sowohl im nationalen , aber mehr noch im internationalen Maßstab einen Wandel der globalen Entwicklungstendenzen zu erreichen. Ansätze dafür kann man dafür in dem spannenden Buch von Naomi Klein "Gegen Trump, der Aufstieg der neuen Schock- Politik und was wir jetzt tun können" finden .
Auch die Bewegung "Aufstehen" hatte wohl im Kern das Ziel, über die Grenzen ideologischer oder parteienmäßiger und geistiger Schranken das große Potential verschiedener  zukunftsorientierter Kräfte in der BRD zu vereinen! Leider sind derartige Ziele offenbar von den Amtsträgern (oder noch Amtsträgern) der linksorientierten Parteien nicht mit deren persönlichen Machtinteressen konform! Es hat den Anschein, dass das existierende parteiengebundene Demokratiemodell  überholt ist und durch Demokratie- Formen erstezt werden muss, die die wichtigen Zukunfts- Themen durch die Vertretung einer breiten Mehrheit der Gesellschaft in die Hand nehmen.


Abschließend möchte ich nach ausdrücklicher Genehmigung des Autors den Abschnitt seines Buches "Schlussfolgerungen .. " als Link anbieten - sowohl imFormat Word. ..docx, als auch als im Browser-Format ... html

Klaus Blessing verdient ganz zweifellos für sein Buch und viele seiner engagierten Publikationen ausdrücklich Anerkennung und Dank.
*** 
© Dr.Jungnickel ; http://eser-ddr.de/
 Redaktion 04/2019/